Das Dalit Human Rights Center
Seit vielen Jahren sind wir mit Menschen befreundet, die in Indien zu den Dalits zählen. Einer von ihnen ist Father Yesumarian, der es trotz vieler Nachteile geschafft hat, katholischer Priester zu werden und danach auch noch Rechtsanwalt. Er hat im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu ein Menschenrechtszentrum für Dalits aufgebaut, das „Dalit Human Rights Centre“ (DHRC).
Immer noch verrichten Dalits die niedrigsten Arbeiten, arbeiten für einen Hungerlohn in den Haushalten der Reichen, reinigen die Toiletten, sind für das gesundheits-schädliche Gerben von Leder gefragte Leute, Dalit-Frauen schleppen die Steine für den Straßenbau, Kinder schuften in der Textilindustrie. Die im Vergleich zur übrigen Bevölkerung immer noch schlechtere Schulbildung führt zu fatalen Konsequenzen. Dalits leben in gesonderten Siedlungen, dürfen nur bestimmte Brunnen benutzen. Kasten-Hindus befürchten, dass sie unrein werden, wenn sie Dalits zu nahe kommen.
Es ist ein hierarchisches System, das vor Zeiten (3000 Jahre) mit dem Hinduismus in die Gesellschaft gekommen ist. Es drängt die sogenannten Kastenlosen immer noch an den Rand, auch wenn das Kastensystem seit der Unabhängigkeit im Jahre 1947 n.Ch. offiziell abgeschafft ist. Ein Viertel der indischen Bevölkerung wird zu den Dalits gerechnet, das sind 250 Millionen Menschen. Von den 2,5 Prozent Christen, die es in Indien gibt, das sind immer noch 25 Millionen, zählen Zweidrittel zur Dalit-Bevölkerung. Sie sind also in der Mehrheit, aber von den 165 Bischöfen in Indien sind nur acht Dalits. Vor acht Jahren gab es sogar den Versuch, eine „dalit-reine“ Kirche zu gründen! Sogar die Friedhöfe sind verschieden, in den Kirchengebäuden sind Sonderplätze am Rand für Dalits an der Tagesordnung, sie erhalten die Kommunion zuletzt.
Fr. Yesumarian hat uns oft erzählt, wie er aufgrund seiner Herkunft gedemütigt wurde, selbst von Bischöfen. Unsere Freundin Arokiamary saß im Gefängnis, weil sie sich gegen die Benachteiligung ihrer Schwestern und Brüder wehrte. Beim Verkauf von Land erhalten sie weniger Geld, eine Hochzeit über die Kastenschranken hinweg ist eigentlich nicht möglich, sie führt zum Ausstoß aus der Familie. Es kommt immer wieder vor, dass Polizisten von Kasten-Hindus bestochen werden und Dalits bedrohen. Vor Gericht haben sie einen schlechteren Stand, weil auch Richter oft nicht neutral sind. Wir haben Bilder von verbrannten Hütten gesehen, Dalits werden auch körperlich angegriffen oder vertrieben, ohne dass die Täter groß zur Rechenschaft gezogen werden.
In diesem quasi rechtsfreien Raum haben Father Yesumarian und seine Mitstreiter alle Hände voll zu tun, um den Dalits eben doch zu ihrem von der indischen Verfassung garantierten Recht zu verhelfen. Sie machen das mit einem Lächeln im Gesicht, lassen sich nicht unterkriegen und wissen Jesus an ihrer Seite. Von seiner frohen Botschaft für die Armen fühlen sie sich angestachelt, eben nicht nachzugeben, sondern sowohl auf gesellschaftlicher als auch kirchlicher Ebene eine menschenwürdige und dem Geist des Evangeliums gemäße Behandlung einzufordern.
Der Begriff „Dalit“ entwickelte sich aus dem Sanskritwort dal; er wird übersetzt mit „zerbrochen“, „zerrissen“, „zerdrückt“, „vertrieben“, „niedergetreten“, „zerstört“ und „der Zur-Schau-Gestellte“. Erstmals wurde dieser von Jyotirao Phule, dem Vater der indischen Sozialrevolution, im späten 19. Jahrhundert verwendet. Er hatte sich auf Sanskritschriften bezogen, um ein Wort zu finden, das die unterprivilegierten Teile der Gesellschaft, die Opfer des Kastensystems, angemessen beschreibt.